Elternunabhängig ist der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, das heißt: Jedes Kind hat in Deutschland spätestens nach dem ersten Geburtstag Anspruch auf eine Betreuung in einer Kindertagesstätte, ganz egal, wer die Eltern sind, was sie verdienen und warum sie einen Platz wünschen. Dieser Grundsatz gilt seit dem 1. August 2013, doch er hat einen großen Haken: Es gibt gar nicht genug Kita-Plätze im Land, Ende 2023 fehlten sage und schreibe 430.000!
In den ostdeutschen Ländern ist die Lage deutlich besser als im Westen, dennoch kann es Eltern überall erwischen: Du brauchst den Platz unbedingt, aber du findest keinen. Welche Rechte hast du in diesem Fall? Und wie forderst du sie am besten ein? Eines solltest du vorab wissen: Bildung ist in Deutschland Sache der Bundeländer, deshalb hängt die Antwort teilweise davon ab, in welcher Region du lebst.
Inhaltsverzeichnis
Wie viele Stunden Betreuungsanspruch habe ich?
Klären wir zuerst deinen grundlegenden Anspruch. Falls du im Bundesland Sachsen wohnst, muss dein Kind nicht einmal ein Jahr alt sein, um einen Kita-Platz in Anspruch zu nehmen. Hier gilt das Recht schon ab 0 Jahren, während alle anderen Bundesländer zum jetzigen Stand (Januar 2024) Kinder ab einem Jahr unterbringen müssen.
Wie umfassend ist dieses Recht, wo liegt die Stundenzahl pro Tag? Das SGB VIII legt keinen zeitlichen Umfang fest, sondern definiert den Anspruch bedarfsorientiert. Die einzelnen Bundesländer füllen diesen vorgegebenen Rahmen mit eigenen Gesetzen und machen den Betreuungsumfang häufig abhängig von der elterlichen Erwerbstätigkeit. Dabei klaffen die Mindest-Betreuungszeiten weit auseinander.
Die Mindest-Betreuungszeiten nach Bundesländern
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg hat keine gesetzliche Regelung zum Umfang einer Mindestbetreuung getroffen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart urteilte unter Aktenzeichen 7 K 2688/13, dass ein Kind im Alter von zwei Jahren keinen Kita-Betreuungsanspruch von 8 Stunden am Tag hat. “Rein persönliche Interessen der Eltern”, so das Gericht, seien keine Rechtfertigung.
Bayern
In Bayern sind Kommunen verpflichtet, bedarfsgerechte Betreuungszeiten anzubieten. Der Fremdbetreuungsanspruch gilt meistens erfüllt, wenn eine 6-stündige Betreuung pro Tag möglich ist. Aber auch 8 Stunden am Tag müssen in einem gewissen Umfang möglich sein, je nachdem, wie viele Eltern im jeweiligen Umkreis einer Vollzeitarbeit nachgehen.
Berlin
In Berlin besteht ein Rechtsanspruch auf Teilzeitförderung über 5 bis 7 Stunden täglich. Wer sein Kind mehr als 7 Stunden unterbringen möchte, benötigt einen sogenannten Bedarfsnachweis. Hierzu zählen beispielsweise Selbständigkeitserklärungen und Arbeitgeberbescheinigungen.
Brandenburg
Der Rechtsanspruch in Brandenburg richtet sich nach dem Kindesalter. Ab dem ersten Geburtstag bis zum Grundschulalter sind mindestens 6 Stunden gesetzlich vorgeschrieben. Im ersten Lebensjahr kann ein Anspruch bestehen, wenn die familiäre Situation unbedingt eine Fremdbetreuung erfordert.
Bremen
In der Stadt Bremerhaven, die zum Bundesland Bremen gehört, liegt der Mindestanspruch ab 3 Jahren bei 4,5 Stunden pro Tag, in der Stadt Bremen wiederum ab einem Jahr bei 4 Stunden und ab drei Jahren schon bei 6 Stunden.
Hamburg
Hamburg hat eine beitragsfreie Grundbetreuung von fünf Stunden pro Tag etabliert, und zwar von Geburt an. Dazu gibt es eine Maximalgrenze von 60 Stunden pro Woche, da die Entscheider höhere Betreuungszeiten als problematisch für das Kindeswohl ansehen. Allerdings sind im Notfall Ausnahmen möglich.
Hessen
In Hessen herrscht ein Mindestbetreuungsanspruch von 20 Stunden pro Woche, also 4 Stunden je Tag. Je nach Arbeitssituation der Eltern können daraus bis zu 45 Stunden je Woche werden, das sind 9 Stunden am Tag.
Mecklenburg-Vorpommern
Wohnst du mit deinem Kind in Mecklenburg-Vorpommern, hast du entweder Anspruch auf einen Teilzeitplatz über 6 Stunden am Tag oder einen Ganztagesplatz über 10 Stunden. Dafür musst du einen Berechtigungsschein beantragen; im Zuge des Verfahrens stellen die Behörden deinen Bedarf fest.
Schleswig-Holstein und Niedersachsen
Insgesamt ist im Nordwesten noch immer eher “Halbtagskindergarten” angesagt, darum haben sich Schleswig-Holstein und Niedersachsen für eine Mindestbetreuungszeit von schmalen 4 Stunden entschieden. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgereicht legte allerdings 2021 fest, dass Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahres 6 Stunden Betreuungszeit am Tag in einer Kita zustehen. Das Aktenzeichen hierzu lautet 10 ME 170/21.
Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen hängen die buchbaren Wochenstunden von der Vor-Ort-Situation ab. Normalerweise liegt die Mindestbetreuungszeit bei 25 Stunden je Woche, also 5 Stunden pro Tag als reine Vormittagsbetreuung. Darüber staffeln sich dann 35 und 45 Wochenstunden (7 bzw. 9 Stunden pro Tag).
Rheinland-Pfalz
Rheinland-Pfalz hat den Betreuungsanspruch am 1. Juli 2021 auf 7 Stunden am Tag für alle Kita-Kinder festgelegt. Diese Stunden sollen Eltern von Montag bis Freitag jeweils am Stück ab Vormittag buchen können. Mit Begründung können Planungsbehörden vor Ort eine geringere oder höhere Stundenzahl festlegen, auch mit Mittagspause. Das kommt auf dem nachgewiesenen Bedarf an.
Saarland
Für das Saarland konnten wir keine Mindestbetreuungszeit finden. Das neue Kita-Gesetz aus 2021 enthält Regelungen zum Abbau der Elternbeiträge, zum Ausbau der verfügbaren Plätze und zur Qualitätssteigerung. Die Gesetzgebung ist insgesamt bedarf- und qualitätsorientiert.
Sachsen
In Sachsen gilt das “Gesetz über Kindertagesbetreuung”, es rückt die Bedürfnisse von Kindern und Erziehungsberechtigen in den Mittelpunkt. Mindest-Betreuungszeiten sind hier nicht erwähnt. Die Träger der Kindertageseinrichtungen legen gemeinsam mit den Eltern, der öffentlichen Jugendhilfe und der Gemeinde die Öffnungszeiten nach Bedarf fest.
Sachsen-Anhalt
Das Kinderförderungsgesetz von Sachsen-Anhalt legt für jedes Kind “bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang” einen Anspruch auf einen “ganztägigen Platz in einer Tageseinrichtung” fest. Dieser Platz umfasst für Kita-Kinder 8 Stunden je Betreuungstag, bei insgesamt 40 Wochenstunden.
Thüringen
Das Kindergartengesetz von Thüringen spricht von “bedarfsgerechten Öffnungszeiten, die am Kindeswohl orientiert sind.” Es setzt statt einer Mindestbetreuungszeit eine Obergrenze fest: Die tägliche Betreuungszeit sollte “in der Regel 10 Stunden nicht überschreiten”.
Wer ist für die Bereitstellung von Kita-Plätzen verantwortlich?
Der § 79 Sozialgesetzbuch SGB VIII legt fest, dass die Gesamtverantwortung für Tageseinrichtungen und Kindertagespflege beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe liegt. Das sind, kurz gesagt, die örtlichen Jugendämter. Manchmal sind deine ersten Ansprechpartner die lokalen Betreuungseinrichtungen, dort kannst du dein Kind bereits ab Geburt auf eine Warteliste setzen – mindestens aber zum Anmeldungs-Stichtag für das nächste regulären Kindergartenjahr, das normalerweise am 1. August beginnt.
Manchmal ist für die Bearbeitung der Anmeldungen das Gemeindebüro zuständig, in seltenen Fällen direkt das Jugendamt. Die Chancen erhöhen sich, je früher du in den Startlöchern stehst. Die einzelnen Kitas geben oft nur Bescheid, wenn es klappt. Wer im April noch keine Rückmeldung hat, sollte ein letztes Mal nachfragen und sich alle Absagen schriftlich bestätigen lassen.
Das kannst du machen, wenn du keinen Kita-Platz bekommst
Haben deine Bemühungen keinen Erfolg, wendest du dich an dein zuständiges Jugendamt. Bitte dort um die Zuweisung eines Betreuungsplatzes und weise möglichst dabei die Dringlichkeit zu einem bestimmten Stichtag nach, zum Beispiel durch Bescheinigung deines Arbeitgebers.
Gib der Behörde ungefähr zwei Monate Zeit zum Handeln, frage dann noch einmal an. Erhältst du einen Ablehnungsbescheid, dann lege innerhalb von vier Wochen Widerspruch ein, damit das Amt die Ablehnung noch einmal überprüft. Wenn nachweislich keine Kita-Plätze mehr vorhanden sind, darf das Jugendamt dich an die örtliche Tagespflege verweisen – ansonsten ist ein solcher Verweis unzulässig.
Gleichzeitig macht es Sinn, dich eigeninitiativ nach alternativen Betreuungsmöglichkeiten umzusehen, zum Beispiel nach einer lieben Tagesmutter oder einem Babysitter. Bist du fündig geworden, beantragst du die Kostenerstattung durch das Jugendamt und verweist dabei auf entsprechende Gerichtsurteile, zum Beispiel auf das Urteil des Darmstädter Verwaltungsgerichts mit dem Aktzeichen 5 K 404/14.DA.
Den Klageweg beim Verwaltungsgericht beschreiten
Hat dein Widerspruch keinen Erfolg und es ergibt sich keine andere Betreuungsoption, besteht die Möglichkeit, beim Verwaltungsgerecht Klage zu erheben. Beantrage ein gerichtliches Eilverfahren vorzugsweise gemeinsam mit einem guten Fachanwalt für Verwaltungsrecht, um die Zeit bis zum Richterspruch auf etwa vier bis sechs Wochen zu verkürzen.
Allerdings kann kein Richter einen Kita-Platz für dein Kind aus dem Nichts erschaffen: Ist wirklich keiner vorhanden, nützt auch ein gerichtlich bestätigter Anspruch nichts. Erfolgreich ist ein solches Verfahren meistens nur dann, wenn reelle Betreuungsmöglichkeiten bestehen und dein Kind nachweislich übergangen wurde.
Die Kosten für die Klage muss im Normalfall deine Stadt oder Gemeinde tragen, weil der Staat sich zur Bereitstellung eines Kita-Platzes verpflichtet hat. Lass dich zur Sicherheit von deinem Anwalt beraten.
Habe ich ein Recht auf eine Wunschkita?
Das Recht auf eine Wunschkita besteht leider nicht, aber der Betreuungsplatz für dein Kind sollte mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von einer halben Stunde erreichbar sein, beziehungsweise höchstens fünf Kilometer von deinem Wohnort entfernt liegen. Wird dir ein Kita-Platz zugewiesen, den du nicht willst, kannst du ihn nur dann berechtigt abweisen, wenn rechtlich greifbare Gründe dafür vorliegen. Erfüllt die Einrichtung zum Beispiel den gesetzlich vorgegebenen Betreuungsschlüssel nicht, darfst du ablehnen und einen anderen Platz verlangen.
Keinen Kita-Platz bekommen: Habe ich Anrecht auf Schadensersatz?
Trotz aller Bemühungen bist du leer ausgegangen oder der Betreuungsbeginn hat sich stark verzögert? Ist nachweislich der örtliche Jugendhilfeträger daran schuld, kannst du für deine Aufwendungen Schadensersatz geltend machen. Berufe dich auf § 839 I BGB und Art. 34 GG, dieser Paragraph regelt den Amtshaftungsanspruch und den Aufwendungsersatz.
Konntest du (zeitweise) nicht arbeiten gehen, weil dein Kind keinen Kita-Platz hatte? Dann weise den Verdienstausfall schriftlich nach. Auch wenn du aufgrund der fehlenden Betreuung nur im geringeren Umfang Geld verdienen kannst als du eigentlich möchtest, ergibt sich daraus ein Schadensersatzanspruch. Weise außerdem die Anwalts- und Gerichtskosten für deine Klage nach und reiche alles zusammen beim Jugendamt ein. Zahlt die Behörde nicht, musst du leider wieder klagen, um an dein Geld zu kommen. Manchmal hilft allerdings auch ein freundliches Gespräch weiter, denn auch in Behörden sitzen nur Menschen.
Denke daran, dass KinderFriendly dir keine Rechtsberatung bieten kann. Alle Informationen, die du hier liest, sind öffentlich einsehbaren Quellen entnommen. Sie können allerdings fehlerhaft oder unvollständig sein, beziehungsweise sich mit der Zeit ändern. Rechtliche Sicherheit bietet dir das Gespräch mit einem Fachfananwalt für Verwaltungsrecht. Wir wünschen dir und deinem Kind viel Erfolg!
Quellen:
“Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung”, Bildungsserver (Stand 05.07.2022)
“Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz”, Ländermonitor (Stand Juli 2022)
“Thüringer Kindergartengesetz”, Freistaat Thüringen (Stand 18.12.2017)
“Anmeldung Kindertagesstätten”, Bremerhaven.de (Stand 20.02.2024)
“Anmeldung & Beitragszahlung – Wichtige Fragen und Antworten”, Kita Bremen.de (Stand 20.02.2024)
“Fragen und Antworten zur Kindertagesbetreuung”, Hamburg.de (Stand 20.02.2024)
“Umfang der Kindertagesbetreuung”, Berlin.de (Stand 20.02.2024)
“Drucksache 16/8755”, Landtag Baden-Württemberg (Stand 07. 09. 2020)
“Rechtsanspruch §24 SGB V III”, Tagespflege Bayern (zuletzt geprüft am 27.11.2023)
“Rechtsanspruch und Anmeldung”, Brandenburg.de (Stand 20.02.2024)
“Kitaplatz: Wer hat Anspruch und wann gibt es Schadensersatz?”, Anwaltssuche.de (Stand 21.09.2023)
“Betreuungsformen und Betreuungsdauer in Kindertageseinrichtungen”, Krefeld.de (Stand 20.02.2024)
“Rechtsanspruch auf Kita-Platz”, Grashüpfer Mittelhessen (Stand 28.09.2022)
“Neu: Das Kita-Gesetz (SBEBG)”, Saarland.de (Stand 17.01.2022)
“Rechtsanspruch & Beitragsfreiheit”, kita.rlp.de (Rheinland-Pfalz) (Stand 20.02.2024)