Für unseren Nachwuchs gibt es kaum etwas Schöneres, als ausgelassen zu spielen, zu toben, sich zu bewegen sowie Erfolg zu haben und dafür Lob zu ernten. Auch für uns Eltern ist es eine große Freude, die eigenen Kinder glücklich zu sehen und ihrem fröhlichen Lachen zu lauschen. Wir wissen aber sehr wohl, dass diese temporären Glücksmomente hin und wieder von kleinen Gewitterwolken überzogen werden und dann unser ganzer Einsatz mit guten Ratschlägen oder auch einfach nur unsere Einfühlsamkeit gefragt sind.
Heute ist der Tag, auf den die 4-jährige Mara so lang gewartet hat: Endlich darf sie nach der Kita ihren Freud Theo zum Spielen einladen. Die Mutter holt die beiden aufgeregten Kinder ab. Zuhause ist alles perfekt vorbereitet: Im Kinderzimmer warten viele Spielsachen darauf, liebevoll bespaßt zu werden, gegen mögliche Unterzuckerung steht ein Obstteller mit kleinen Überraschungen bereit. Es kann losgehen. Die Freude hält geschlagene 7 Minuten, bis zum ersten Geschrei. Theo will ein Spielzeug – heute Maras Lieblingsspielzeug – einfach nicht hergeben… In diesem Moment kommt auch noch der große Bruder aus der Schule und schmeißt seiner Mutter die 5 in der Mathearbeit wütend vor die Füße. Bei den meisten Eltern macht sich Verständnislosigkeit breit.
Hintergründe verstehen
Was Eltern immer im Hinterkopf haben sollten, ist die Tatsache, dass diese scheinbar banale „Spaßzeit“ ihre Kleinsten immer wieder vor schwierige Aufgaben stellt und eine verständnisvolle und strategische Begleitung erfordert. Im Kleinkindalter fehlt es noch an sozialen Kompetenzen, die über eine lange Zeit erarbeitet und erlernt werden müssen: „Kinder entwickeln [Sozialkompetenzen] von sich aus, benötigen aber die Unterstützung und Hilfe durch die Erwachsenen.“ [1] Die Kleinen sind noch nicht in der Lage, Kompromisse einzugehen, selbstständig ihr Spielen zu organisieren und eine Lösung für ihren Konflikt zu finden. Für uns Erwachsene alles selbstverständliche und einfache Aufgaben. Doch „erst Sieben- bis Achtjährige können […] gerecht teilen. Schuld daran, dass es nicht früher klappt, ist das für die Impulskontrolle zuständige Hirnareal, der präfrontale Kortex. Er ist erst spät voll entwickelt und funktional vernetzt.“[2]
Denken wir auch mal an unsere eigene Kindheit: Sicher fallen uns da einige Streitsituationen mit Geschwistern oder Freunden ein, an denen wir damals genauso verzweifelt sind.
Also liebe Eltern, betrachtet diese kleinen Gewitterwolken am besten als normal und erwartet sie von Anfang an – nehmt sie sogar als ein Geschenk an. Denn mit solchen Herausforderungen könnt ihr den Kindern helfen, in ihren sozialen Kompetenzen zu wachsen und zu lernen, wie sie ihren Streit schlichten können und ihn mit dieser mitgegebenen Strategie vielleicht irgendwann selbstständig klären können. Zur besseren Veranschaulichung der Situationen sind z.B. Rollenspiele ein effektives Mittel: „Anhand von vorgegebenen Geschichten können die Kinder indirekt Erfahrungen sammeln und diese für ihr eigenes Handeln nutzen.“[3]
Um die einzelnen Strategien (wie z.B. Wechselspiel, Alternativen suchen, etc.) soll es hier aber nicht weiter gehen; Tipps dafür gibt es im Internet und in Sachbüchern zu Hauf (z.B. Winkler, S., Kinderentwicklung: So gelingt der Alltag in jeder Lebensphase. 2022). Vielmehr geht es darum, euch Eltern eine gewisse Erwartungshaltung und damit auch die notwendige Einfühlsamkeit an die Hand zu geben, mit der ihr von vornherein, diesen für alle herausfordernden Momenten begegnen könnt – und die nicht nur das Kleinkindalter betreffen. Es geht also um das Antizipieren und das Einnehmen einer gewissen Grundhaltung gegenüber den Kindern. So schafft ihr es, eine respektvolle und verständnisvolle Beziehung zu ihnen aufzubauen und auch zu pflegen.
Unterstützende Tipps
Zunächst gilt es sämtliche Faktoren, die der verständnisvollen Haltung störend im Wege stehen, auszuschalten sowie eine gewisse Sensibilität für den Nachwuchs zu aktivieren:
1. Stellt eure Erwar3tungshaltung an eure Kinder grundsätzlich etwas niedriger als zu hoch ein, indem ihr euch z.B. an eigene, ähnliche Situationen aus eurer Kindheit erinnert und so versteht, vor welchen Schwierigkeiten eure Kinder stehen. Das hilft euch, sie als Freund an die Hand zu nehmen und ihnen mit angemessenen Ratschlägen zu begegnen („Weißt du, ich hatte damals auch das Problem, dass, … ich war enttäuscht, wütend, … hab mich aber dann entschieden, … und am Ende war ich froh, es geschafft zu haben.“). Falls euch so schnell kein konkretes Ereignis einfällt, dürft ihr gern auch etwas erfinden oder hinzudichten.
2. Achtet stets auf das Wohlbefinden eurer Kinder: Merkt ihr, dass sie sich körperlich unwohl fühlen oder müde und erschöpft sind, sorgt unbedingt für Ruhe- und Erholungsphasen. Achtet im Alltag grundsätzlich auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aktiv- und Ruhephasen sowie auf ausreichend Schlaf. „Eine Verkürzung der Gesamtschlafdauer um nur 54 Minuten im Grundschulalter kann zu deutlichen Verhaltensauffälligkeiten führen. Darunter fallen übermüdungsbedingte Wahrnehmungsprobleme, Beeinträchtigung der kognitiven Leistung, Lernschwierigkeiten und emotionale Regulierungsprobleme, bis hin zu aggressivem Verhalten. Es können Symptome auftreten, welche fälschlich als Frühzeichen von ADHS interpretiert werden, aber tatsächlich im Zusammenhang mit anhaltender Müdigkeit aufkommen.“[4]
3. Legt den Fokus auf die positiven und besonderen Eigenschaften eures Kindes und zeigt ihm, wie stolz ihr seid und zeigt ihm auch, was es doch schon alles kann. Die Bewusstmachung der positiven Eigenschaften wird ihm auch in Momenten der Selbstzweifel, der Versagensängste und der Enttäuschung (wie z.B. eine schlechte Note in der Mathearbeit) helfen. Für eine gewisse Nachhaltigkeit könnt ihr gemeinsam mit eurem Kind z.B. eine „Was-ich-schon-alles-kann-Collage“ anfertigen und gestalten.
Dafür kann das Kind Fotos von sich, wie es Sportarten ausübt, backt, kocht, ein Instrument spielt, bastelt, liest – und vieles mehr – aufkleben, beschriften oder seine positiven Eigenschaften und Hobbies aufmalen. Der Kreativität werden dabei keine Grenzen gesetzt. Die Collage kann dann im Kinderzimmer oder auch im Wohnzimmer für alle sichtbar aufgehängt werden, sodass die positive Einstellung der Eltern zu ihrem Kind und des Kindes zu sich selbst zum festen Bestandteil wird. Die Collage kann sogar mit der Zeit immer wieder um neue „was-ich-schon-kann–Aktivitäten“ erweitert werden.
Die Liste mit Tipps, wie man eine einfühlsame und emphatische Haltung zu seinem Kind stärken kann, dürfte sich noch um individuelle Ratschläge erweitern lassen. Habt ihr zum Beispiel ein Kind, das nach dem Tag in der Kita oder in der Schule nicht oder nicht viel darüber spricht, was es erlebt hat oder was es beschäftigt, überlegt euch, mit welchen Fragen ihr ihm begegnen könnt und auch zu welcher Tageszeit es dafür empfänglich sein könnte. Oftmals löchern Eltern ihre Kinder direkt nach der Heimkehr mit belanglosen Fragen wie z.B., was es zum Essen gab, um es zum Reden zu bewegen. Im Gegenzug erhalten sie nur genervte oder auch gar keine Antworten.
Versucht es mal am Abend mit anderen Fragen wie z.B.: „Was hat dir heute am meisten Spaß gemacht?“ oder „Gab es etwas, worüber du dich geärgert hast oder was dir keinen Spaß gemacht hat?“ oder Themen anzusprechen, für die euer Kind gerade brennt. Denn über Gespräche könnt ihr noch mehr über eure Kinder erfahren und in allen Lebenslagen einfühlsamer auf sie eingehen.
[1] Pausewang, F., Sozialkompetenzen – Was sie für die Gegenwart und die Zukunft der Kinder bedeuten können, 2017
[2] Winkler, S., Kinderentwicklung: So gelingt der Alltag in jeder Lebensphase. 2022
[3] Redaktion Pro Kita-Portal. 2020
[4] Berger et al. 2012; Kirchhoff 2014; Staton et al. 2015