Wenn es um die Bildung unserer Kinder geht, stehen wir oft vor der Herausforderung, das beste Konzept für ihre individuelle Entwicklung zu wählen. Ein inspirierende Konzept ist das “Reggio-Emilia”.
Meine erste Begegnung mit diesem Konzept ereignete sich in Cincinnati, USA. Ein Ortswechsel aufgrund der beruflichen Verpflichtungen meines Mannes stellte uns vor die Herausforderung, den passende Kindergarten für unseren Sohn zu finden. Inmitten der Unsicherheit über unseren neuen Wohnort boten sich uns drei Kindergärten an, darunter auch einer mit dem Reggio-Emilia-Konzept. Dies wurde die Wahl für unseren Sohn, und wir waren überaus zufrieden. Viele kreative Projekte prägten den Alltag.
In diesem Artikel möchten wir euch einen Einblick in diese pädagogische Philosophie geben und erklären, warum sie für die kindliche Entwicklung besonders ist.
Inhaltsverzeichnis
Was ist das Reggio-Emilia-Konzept?
Das Reggio-Emilia-Konzept, (eine pädagogische Philosophie der 1940er Jahren aus der italienischen Stadt Reggio Emilia) betont die Teilnahme der Kinder, die soziale Konstruktion des Wissens und die Förderung der kreativen Selbstentfaltung. Im Fokus steht die Vorstellung vom Kind als eigenständigem und kompetentem Lernenden, der aktiv seine Umgebung erkundet und dabei seine eigene Identität entwickelt. Diese Überzeugung hat konkrete Auswirkungen, indem sie eine kooperative Lernumgebung schafft, in der Lehrer/Erzieher gemeinsam mit den Kindern lernen und in einer partnerschaftlichen Beziehung arbeiten, anstatt hierarchisch. Diese Partnerschaft bezieht auch die Eltern und die Gemeinschaft jedes Kindes mit ein.
Reggio-Emilia legt außerdem großen Wert auf die Sinne der Kinder und setzt dabei auf Sehen, Hören, Tasten sowie auf den Geschmack und Geruch, um den Lernprozess zu unterstützen. Infolgedessen unterscheiden sich Klassenräume deutlich von herkömmlichen Kindergarten, da sie großzügige Gemeinschaftsbereiche, natürliche Elemente und eine Vielzahl zugänglicher und neugierig machender Materialien aufweisen.
Grundprinzipien des Reggio-Emilia-Konzepts
-
- Das Kind als Protagonist: Kinder werden als einzigartige Individuen betrachtet, die ihre eigenen Interessen, Stärken und Persönlichkeiten haben. Der Fokus liegt darauf, ihre Neugier und ihre natürliche Motivation zum Lernen zu fördern.
-
- Partizipation und Selbstausdruck: Der Ansatz betont die Bedeutung der Mitwirkung der Kinder am Lernprozess. Durch kreative Ausdrucksformen wie Kunst, Musik und Sprache werden die Kinder ermutigt, ihre Gedanken und Ideen auszudrücken.
-
- Die Rolle der Umgebung: Die Lernumgebung spielt eine entscheidende Rolle im Reggio-Emilia-Konzept. Klassenzimmer sind als dritter Lehrer konzipiert, wobei sorgfältig gestaltete Räume die Entdeckung und den Austausch fördern.
-
- Beziehungen und soziale Konstruktion des Wissens: Die Konzepte betont die soziale Natur des Lernens. Die Zusammenarbeit zwischen Kindern, Lehrern/Erziehern und Eltern wird als Schlüssel zur Wissenskonstruktion betrachtet.
Wie funktioniert das Reggio-Emilia-Konzept in der Praxis?
-
- Projektbasiertes Lernen: Der Fokus liegt auf langfristigen Projekten, die von den Interessen der Kinder geleitet werden. Diese Projekte können Kunst, Natur, Mathematik oder andere Themen umfassen. In unserem Kindergarten in Cincinnati gab es jeden Donnerstag einen Naturspaziergang, bei dem die Kinder Gelegenheit hatten, mehr über verschiedene Pflanzen, Bäume zu lernen und einfach die Natur zu erkunden.
-
- Dokumentation der Lernreise: Lehrer/Erzieher dokumentieren den Lernprozess der Kinder durch Fotos, Aufzeichnungen und Kunstwerke. Dies fördert die Reflexion und den Austausch zwischen Kindern, Eltern und Lehrern/Erziehern. Teilweise erhielten wir täglich Fotos unserer Kinder zusammen mit einer Notiz darüber, was die Gruppe an diesem Tag unternommen hat. Jede Woche brachte unser Sohn außerdem ein Notizbuch mit spezifischen Anmerkungen zu seiner Entwicklung mit nach Hause
-
- Die Rolle des Lehrers/Erziehers: Lehrer/ Erzieher sind eher als Lernbegleiter statt Wissensvermittler konzipiert. Sie beobachten, hören zu und reagieren auf die Bedürfnisse der Kinder.
Warum ist das Reggio-Emilia-Konzept besonders?
Das Konzept hebt sich durch seine tiefe Wertschätzung für die Einzigartigkeit jedes Kindes und die Betonung von Kreativität und Selbstausdruck hervor. Kinder werden nicht als leere Behälter betrachtet, die mit Wissen gefüllt werden müssen, sondern als aktive Konstrukteure ihres Wissens und ihrer Identität.
Vergleich zwischen der Montessori-Methode und dem Reggio-Emilia-Konzept
Die Montessori-Methode, entwickelt von Maria Montessori, legt großen Wert auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Kinder. Hier steht die Idee im Vordergrund, dass Kinder ihre Umgebung eigenständig erkunden und ihre Lernziele selbst wählen sollen. Es gibt klare Strukturen und spezielles Montessori-Material, das den Kindern ermöglicht, konkrete Erfahrungen zu machen.
Im Gegensatz dazu ist das Reggio-Emilia-Konzept weniger strukturiert und betont die Bedeutung der Gemeinschaft und sozialen Interaktion. Projekte, kreativer Ausdruck und die Anerkennung der Einzigartigkeit jedes Kindes sind zentrale Elemente. Im Reggio-Emilia-Ansatz haben die Kinder eine aktivere Rolle in der Gestaltung ihres Lernens, während die Lehrer/Erzieher als Mitforscher agieren.
Insgesamt lassen sich die Unterschiede zwischen Montessori und Reggio-Emilia in ihrer Herangehensweise an die Autonomie der Kinder, die Rolle der Lehrer/Erzieher und den Schwerpunkt auf soziale Interaktion und Kreativität feststellen. Beide Ansätze teilen jedoch die Überzeugung, dass Kinder aktiv am Lernprozess beteiligt sein sollten.
Wenn ihr nach einem pädagogischen Ansatz sucht, der die natürliche Neugier eures Kindes fördert und Raum für individuelle Entfaltung lässt, könnte das Reggio-Emilia-Konzept die richtige Wahl sein. Der Weg des Lernens wird zu einem gemeinsamen Abenteuer, das die Kinder auf ihre eigene, einzigartige Weise erkunden.
Quellen
Weitere Artikel aus unserem Magazin:
Das zweite Lebensjahr: Aktuelle Entwicklung und spielerische Förderung
Zeit im Ausland verbringen: Möglichkeiten vor dem Schulabschluss
