Flüssig lesen zu können, braucht viel Übung. Doch gerade zu Beginn des Lesenlernens fällt es einigen Kindern schwer, nach den Hausaufgaben noch täglich zu Hause zu üben. Wie kann man Lesemuffel zum Lesen motivieren?
Euer Kind hat alle Buchstaben kennengelernt und das Zusammenziehen beherrscht es auch. Jetzt muss es fleißig üben, damit es bald längere Texte verstehen kann. Doch in der Schule bleibt wenig Zeit dafür. Deswegen sollen die Schüler meist zehn Minuten täglich zu Hause üben, zum Beispiel mit einem Übungsblatt.
Gelesen werden dann zunächst einzelne Silben, später einfache Wörter. Lama, Oma oder Lola zu lesen ist hilfreich, um das Gelernte zu festigen, für viele Kinder jedoch ziemlich langweilig. Es gibt aber einige Möglichkeiten, Lesemuffel zum Üben anzuregen, damit sie früher oder später den Spaß am Selberlesen entdecken.
Weiter vorlesen
Die meisten Eltern wissen, dass frühes Vorlesen Kindern dabei hilft, selbst leichter lesen zu lernen. Wenn Kinder anfangen selbst zu lesen, sollten Eltern trotzdem weiterhin vorlesen. Die Texte für Leseanfänger sind nämlich viel einfacher geschrieben als Vorlesegeschichten. Das führe bei einigen zu Frust: „Wenn die Kinder in die Schule kommen und lesen lernen, dann ist das vom Textniveau ganz häufig eher ein Rückschritt“, erklärt Frau Prof. Dr. Simone C. Ehmig von der Stiftung Lesen.
Daher sollten Eltern laut der Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung so lange weiter vorlesen, bis es das Kind nicht mehr braucht. Tipp: Wenn ihr beim Vorlesen den Finger mitbewegt, sieht euer Kind, dass ihr Wort für Wort vorlest.
Optimaler Zeitpunkt, passender Text
Damit dein Kind erfolgreich das Lesen üben kann, sollte es entspannt sein und sich vorher ausgetobt haben. Überlege, welche Tageszeit und welcher Ort sich am besten eignen. Nachmittags auf dem Sofa? Oder lieber abends im Bett? Wichtig ist auch, dass ihr einen für das Kind interessanten Text wählt. Mag es gerne spannende Geschichten oder lieber Sachbücher? Welches Thema beschäftigt es gerade? Leseanfänger können Texte mit kleinen Textblöcken und großer Schriftgröße gut lesen. Das trifft auf viele Erstlesebücher für Kinder der 1. Klasse zu.
Jedoch ist jeder Text, mit dem sich das Kind beim Lesen wohl fühlt, laut Prof. Dr. Ehmig gut zum Trainieren geeignet. Das kann ein Comic, eine Zeitschrift, ein Kinderlexikon, ein Witzebuch oder ein Ratekrimi sein. Bereits bekannte Geschichten aus dem Fernsehen, dem Kino oder aus Hörspielen könnten auch als Buch angeboten werden. Es gibt auch Bücher, in denen Bilder einzelne Wörter ersetzen und interaktive Bücher, bei dem das Kind entscheidet, wie die Erzählung weiter geht. Lustig sind auch Aktionsbücher, in die man sogar hineinbeißen darf.
Digitale Angebote nutzen
Bildschirme faszinieren die meisten Kinder. Diese Anziehung darf ruhig genutzt werden: „Wir dürfen nicht so tun, als wäre das einzig wahre Lesen das Lesen im Buch“, sagt Prof. Dr. Ehmig. Einen Text am Bildschirm zu lesen, sei genau so wertvoll wie ein gedruckter. Auch hier werde die Lesekompetenz gefördert.
Schüler haben vielleicht Spaß daran, zusammen mit euch im Internet nach Informationen zu suchen und diese dann gemeinsam zu lesen. Es gibt auch digitale Lernspiele von Schulbuchverlagen und Apps, mit denen Schüler das Lesen spielerisch trainieren.
Tandemlesen
Manchen Kindern ist es unangenehm laut zu lesen. Vielleicht erlaubt ihr, dass sie flüstern, bis sie sich sicherer fühlen. Oder sie wechseln sich mit euch Eltern ab. Für dieses sogenannte Tandemlesen gibt es spezielle Bücher. Der Vorteil: Das Kind erlebt eine spannende Geschichte, ohne einen ganz langen Text lesen zu müssen.
Wichtig ist, dass das Kind regelmäßig kleine Erfolgserlebnisse verzeichnet. Wenn es noch zu anstrengend ist, ganze Sätze zu lesen, dann übt zunächst nur mit einzelnen Wörtern.
Im Alltag lesen
Auch im Alltag findet ihr immer wieder Anlässe zum Üben. Im Supermarkt darf euer Kind zum Beispiel lesen, ob im Jogurt eine bestimmte Zutat enthalten ist. Mit Schülern, die gerne kochen oder backen, probiert ihr ein neues Rezept aus und euer Kind liest Teile davon vor. Beim Zusammenbauen eines neuen Regals darf die Bauanleitung gelesen werden, bei einem Besuch im Museum oder im Zoo die Informationstafel.
Es lohnt sich auch, wenn ihr im Beisein eurer Kinder ab und zu das Smartphone weglegt und in einem jugendfreien Buch oder einer Zeitschrift schmökert. Das macht euer Kind neugierig und vielleicht liest es selbst ein paar Wörter mit.
Spielerisch lernen
Lesespiele, Tiptoi-Bücher zum Lesenlernen sowie spezielle Übungshefte mit Leseaufgaben sorgen für Abwechslung beim Lernen. Eine gute Idee ist es außerdem, Leseübungen in ein Spiel mit dem Kind zu integrieren. Die Autos erhalten zum Beispiel einen Strafzettel, auf einer Tafel wird mit den Kuscheltieren Schule gespielt oder man schneidet einen leeren Karton aus, der zu einem Fernseher wird und liest Nachrichten vor.
Oder wie wäre es mit einer Schatzsuche? Hier muss das Kind die einfach geschriebenen Hinweise lesen, um den Schatz zu finden. Die meisten Kinder freuen sich auch über Post. Einzige Voraussetzung: Der Absender, der dem Kind einen Brief schreibt, muss sehr ordentlich schreiben oder den Text am Computer tippen.
Das Übungsblatt aus der Schule gestaltet ihr spannender, wenn ihr vor die einzelnen Sätze oder Wörter Zahlen von eins bis sechs schreibt. Euer Kind darf dann würfeln und das Wort oder den Satz mit der dazugehörigen Nummer lesen.
Großeltern, Mentoren und Hunde als Zuhörer
Auch Oma, Opa, Tante, Onkel oder das ältere Nachbarskind springen bestimmt gerne mal als Zuhörer ein. In einigen Schulen gibt es schon ehrenamtliche Mentoren oder Paten, die jede Woche mit den Schülern in der Schule üben. Falls das in eurer Schule noch nicht der Fall sein sollte, traut euch mit der Lehrkraft über diese Idee zu sprechen.
Geduldige Zuhörer sind Haustiere. Manche Bibliotheken oder Familienzentren bieten bereits eine hundgestützte Leseförderung an. Hierbei lesen die Schulkinder einem Hund vor. „Damit haben Kinder ein Gegenüber, der ihnen nicht reinredet, der sie nicht korrigiert, vor dem sie sich nicht schämen, wenn sie einen Fehler machen“, sagt Prof. Dr. Ehmig.
Geduld haben
Für die Kinder ist es schön, wenn man ihre Mühe wertschätzt, denn Lesenlernen ist anstrengend: „Wenn man Autofahren lernt, dann beschäftigt man sich auch zunächst nur mit der Technik“, sagt Prof. Dr. Ehmig. Beim Lesenlernen sei das ähnlich. Bis Kinder flüssig lesen und den Inhalt genießen, dauert es einige Zeit.
Bei manchen geht es schneller, bei manchen langsamer, denn auch beim Lesenlernen unterscheiden sich Kinder in ihrer Entwicklung. „Häufig ist es ein längerer Prozess, bis Kinder motiviert sind selbst zu lesen, hier muss man ausprobieren, was für die Kinder funktioniert“, sagt Prof. Dr. Ehmig.