Niederlage ohne Drama: Tipps für Eltern schlechter Verlierer

Es gibt Kinder, die jedes Mal einen Wutanfall bekommen, wenn sie nicht gewinnen. Wie kann man ihnen helfen? Eine Expertin gibt Tipps.

Egal ob ihr gemeinsam „Lotti Karotti“, „Memory“ oder „Uno“ spielt, dein Kind ärgert sich jedes Mal tierisch, wenn es verliert. Es schreit, weint und fegt vielleicht sogar das Spiel vom Tisch. Auch beim Sport und im Alltag ist es ähnlich. Es kommt nur schwer damit zurecht, wenn es nicht den ersten Platz belegt. Während für die meisten Erwachsenen das Verlieren eines Spiels eine Kleinigkeit darstellt, fühlt es sich für das Kind ganz anders an.

„Kinder, die schlecht verlieren können, haben Gedanken wie ‚Ich bin nicht gut genug, ich kann das nicht‘“, erklärt die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Diplom-Sozialpädagogin Heike Schulze. Deswegen führen auch Sätze wie „Es ist doch nur ein Spiel“ nicht dazu, dass sich das Kind beruhigt. Kinder nehmen Niederlagen im Spiel persönlich.

Obwohl sie mit vollem Eifer dabei waren, haben sie verloren. Das ärgert sie und mit diesem Gefühl müssen sie erst mal umgehen. Je nach Alter des Kindes und dem Entwicklungsstand funktioniert das besser oder schlechter. Mit der Zeit lernen sie mit der Frustration klarzukommen. Doch das dauert, teilweise bis zum Ende der Grundschulzeit oder darüber hinaus.

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Kurze Spiele wählen und Regeln anpassen

Um Stress zu vermeiden, liegt die Versuchung nah, das Kind immer gewinnen zu lassen. Doch dauerhaft ist das keine gute Idee, denn auch im späteren Leben, etwa in der Schule und im Beruf, läuft nicht immer alles glatt. Im Spiel zu verlieren, trainiert die Frustrationstoleranz. Eltern sollten ihre Kinder bei diesem Lernprozess unterstützen, denn auch ein guter Verlierer zu sein, muss man erst üben.

Überfordere dein Kind jedoch am Anfang nicht, vor allem nicht, wenn es noch in den Kindergarten geht. Wähle am besten ein kurzes Spiel mit einfachen Regeln aus. Dieses spielt ihr dann mehrmals hintereinander, damit dein Kind auch mal gewinnt. Außerdem macht es manchmal Sinn, die Regeln im Voraus gemeinsam anzupassen, denn das Kind spielt mit einem Erwachsenen, der ihm überlegen ist.

„Wenn die Kinder keine Möglichkeit haben zu gewinnen, macht das Spiel sonst keinen Spaß,“ sagt Schulze. Spielt zum Beispiel mit weniger Kartenpaaren Memory. Bei einem Würfelspiel darf das Kind zweimal würfeln oder bekommt einen Vorsprung. Die Regeln sollten allerdings bei Spielbeginn klar sein und im Nachhinein nicht mehr geändert werden.

Kooperationsspiele als Alternative

Um die Frustrationstoleranz zu trainieren, eignen sich auch Kooperationsspiele, die man als Familie gemeinsam gewinnt bzw. verliert. Dadurch erlebt das Kind die Niederlage nicht allein und lernt anhand eines Vorbilds, wie man ein guter Verlierer ist. Alternativ könnt ihr verschiedene Gesellschaftsspiele in Teams spielen.

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Hat sich bei deinem Kind schon viel Frust angestaut und es hat prinzipiell keine Lust mehr auf Gesellschaftsspiele, dann versuch es zu einem späteren Zeitpunkt nochmal, vielleicht mit einem neuen Spiel. Damit es zunächst wieder Freude am Spielen hat, lass es ruhig die ersten paar Male gewinnen. Vorausgesetzt, dein Kind ist noch jung. Ältere Kinder merken, wenn man sie absichtlich gewinnen lässt, und ärgern sich vielleicht darüber, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen.

Von Vorbildern lernen

Manche Kinder möchten das Verlieren aber um jeden Preis verhindern und schummeln. Da fällt dann der Würfel plötzlich vom Tisch und statt einer eins zeigt er eine sechs an. Laut Schulze dürfe man die Mogelei freundlich und vorwurfsfrei ansprechen, zum Beispiel mit „Huch, was ist jetzt passiert?“. Danach solle man schauen, ob das Kind bereit zur Kooperation ist und sagen: „Die eins ist jetzt zur 6 geworden, würfele doch noch einmal“.

Bei sehr temperamentvollen Kindern könne man das Spiel auch trotz der Schummelei weiterlaufen lassen, aber gleichzeitig die Regeln anpassen mit diesen Worten: „Das nächste Mal machen wir es so, dass man nochmal würfeln muss, wenn aus einer eins plötzlich eine sechs wird.“

Außerdem haben die Eltern laut Schulze eine Vorbildfunktion. Wenn du dich als Vater oder Mutter regelmäßig beim Zocken ärgerst, wenn du verlierst, bekommt das auch dein Kind mit. Hilfreich ist dagegen, wenn sie sehen, dass andere eine Niederlage besser aushalten. Nachdem du verloren hast, spreche darüber und erkläre, dass es für dich in Ordnung ist, denn das Spiel hat trotzdem Spaß gemacht.

Außerdem kann man laut Schulze dem Kind erzählen, dass zum Beispiel der Lieblingsfußballspieler auch beim nächsten Mal wieder auf dem Spielfeld steht, auch wenn er mal verliert. Eine gute Idee sei es auch, mit dem Kind darüber zu sprechen, welche Vorteile es mit sich bringt, wenn es beim Verlieren ruhig bleibt: Die Stimmung ist besser und es macht mehr Spaß miteinander zu spielen.

Den Wutanfall gelassen begleiten

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Doch wie reagieren Eltern bei einem Wutanfall richtig? „Das Wichtigste ist, dass Eltern ganz ruhig bleiben“, sagt Schulze. Außerdem sei es gut, die Gefühle des Kindes zu spiegeln. Dadurch fühlten sich die Kinder gesehen, das fördert das Selbstbewusstsein und die Beziehung zu den Eltern. Diese fassen dabei die Gefühle in Worte und sagen ihrem wütenden Kind zum Beispiel: „Ich merke, du bist gerade wütend“.

Wenn du ruhig bleibst und es sich verstanden fühlt, wird der Wutanfall schneller wieder verfliegen. Schimpfen ist dagegen kontraproduktiv. Dadurch verbindet dein Kind das Spielen eines Brettspiels mit negativen Gefühlen und verliert den Spaß daran. Um die Wut rauszulassen, empfiehlt Schulze dem Kind konkrete Handlungen anzubieten, zum Beispiel auf ein Kissen zu hauen, auf den Boden zu stampfen oder Papier zu zerknüllen und zu werfen. 

Außerdem ist es laut Schulze förderlich, wenn Eltern ihre Kinder loben, wenn sie es geschafft haben, nach einer Niederlage nicht völlig auszuflippen. Das Kind solle aber zunächst kleine Schritte gehen. Ein Anfang könne sein, dass es übt, bei einem Wutanfall das Brettspiel auf dem Tisch zu lassen.

Ansprechpartner:

Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie

Heike Schulze

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