Ein Leitfaden für Eltern, um das Selbstbewusstsein ihrer Kinder zu stärken und sie beim Umgang mit Risiken zu unterstützen

Alle Eltern kennen diese Situation: Das Kind klettert den Baum nach oben, schnappt sich das scharfe Messer und versucht zu schneiden oder balanciert auf dem Mäuerchen. Vor allem, wenn die Kinder dies zum ersten Mal machen, wird das Eltern-Gehirn getriggert. Sofort rufen wir: „Pass auf Schatz!“. Denn wir wissen, welche Folgen ein Sturz oder Missgeschick haben kann. Warum solche Warnungen jedoch gar nicht förderlich für die Entwicklung unserer Kinder sind und wie du besser in solchen Situationen reagieren kannst, das erfährst du in diesem Artikel.

Inhaltsverzeichnis

Wenn Kinder anfangen die Welt zu entdecken, werden sie von Tag zu Tag selbstständiger. Sie klettern, spielen, toben und wollen sich am liebsten allein ausprobieren. Doch genau dieses Ausprobieren birgt immer wieder auch Gefahren für die Kleinen. Gefahren, die Eltern sehen und kennen. Kinder jedoch noch nicht. Der Aufforderung: „Pass bitte auf!“ oder „Vorsicht!“, fällt bestimmt auch in eurem Alltag immer wieder.

Auch wenn wir Eltern unsere Kinder nur vor Gefahren, Verletzungen und Misserfolg schützen wollen, können durch das ständige Warnen Hemmungen und Ängste bei den Kleinen geschürt werden. Denn diese Warnungen implizieren, dass das Kind es allein nicht schaffen würde vorsichtig zu sein oder die Situation zu meistern. Unbekannte Situationen können so einschüchternd auf das Kind wirken.Selbstbewusstsein, Selbstbewusstsein Kind, Risiko managen, Kinder unterstützen

„Fallen lernt man nur durch fallen!“

„Fallen lernt man nur durch fallen!“, ist ein Zitat, welches an dieser Stelle häufig genannt wird. Erinnern wir uns einige Monate, oder auch Jahre zurück. Das Kind machte den ersten Schritt. Noch ein wenig wackelig, dennoch traut es sich zu, den zweiten Schritt zu wagen. Beim dritten Schritt kippt der Oberkörper nach vorne und es fällt hin. Entmutigen lässt es sich dadurch jedoch nicht. Ganz im Gegenteil. Es versucht sein Gewicht anders zu verlagert, oder tritt anders auf. Das Kind probiert sich also selbst aus und lernt dabei aus seiner eigenen Erfahrung heraus, wie es besser geht.

Als Elternteil hast du sicherlich versucht dein Kind bei seinen Laufversuchen weiter zu ermutigen. Du hast geklatscht, wenn es geklappt hat, dich gefreut oder eine Hilfestellung angeboten. Vor dem nächsten Schritt gewarnt, hast du dagegen sicherlich nicht. Denn zum Lernen gehört auch die eigene Wahrnehmung des Kindes zu fördern. Geschehnisse analysieren zu lassen, die eigenen Stärken und Grenzen sowie Gefahren zu erkennen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Kinder bereits Kontakt mit ihren eigenen Grenzen aufnehmen konnten. Wie beispielsweise, dass sie vorne überkippen und fallen, wenn sie sich beim Gehversuch mit dem Oberkörper zu weit nach vorne lehnen.

In unserem Alltag stehen wir immer wieder vor Neuem, vor Herausforderungen und Gefahren. Um diese selbstständig später meistern zu können, ist es wichtig das Selbstvertrauen unserer Kinder und das Vertrauen in das eigene Können zu fördern und zu stärken. Anstelle immer nur zu warnen, ist es deshalb viel ratsamer unsere Kinder beim Lernen zu unterstützen, so wie wir es auch bei den ersten Gehversuchen getan haben.

In Alltagssituationen lernen

Beim Abholen vom Kindergarten klettert dein Kind auf die kleine Kirchenmauer. Wenn es jetzt runterfällt, kann es passieren, dass es sich das Knie aufschlägt oder die Hände aufschürft. Beides wird für Tränen und Schmerzen sorgen. Am liebsten würdest du dein Kind jetzt von der Mauer herunterholen oder es zumindest an der Hand nehmen, um es rechtzeitig abzufangen, falls es fällt. Doch wie soll es wissen, ob sein Gleichgewichtssinn und die Konzentration schon ausgereift genug ist? Wie soll es erfahren, ob es gefährlich ist auf einer Mauer zu balancieren oder das Seil auf dem Boden im Hof die bessere Alternative wäre?

Statt „Pass auf, dass du beim Balancieren nicht runterfällst“, sag lieber: „Ich sehe, wie konzentriert du balancierst. Ich bin bei dir. Wenn es wackelig wird, kannst du nach meiner Hand greifen!“. So lernt dein Kind, zum einen, dass du ihm und seinem Urteilsvermögen vertraust. Zum anderen lernt es, dass du an seiner Seite bist, wenn es einmal Hilfe benötigt.

Auch das Klettern auf dem Baum lässt uns Eltern ganz schön das Herz in die Hose rutschen. Um herauszufinden, ob sich der Baum zum Klettern eignet, in welcher Höhe es noch in Ordnung ist und ob der Ast tragfähig ist, muss sich dein Kind ausprobieren.

Statt „Sei vorsichtig, nicht dass du fällst!“, versuche es einmal mit: „Hör auf dein Bauchgefühl. Ich bin hier, wenn du mich brauchst. Bleibe nah am Baumstamm, denn dort sind die Äste am stabilsten. Fühle vor jedem Schritt, ob sich der Ast stabil anfühlt!“. Auch hierbei signalisierst du wieder: Ich sehe dich, bin bei dir und vertraue dir!Selbstbewusstsein, Selbstbewusstsein Kind, Risiko managen, Kinder unterstützen

„Hilf mir, es selbst zu tun!“

„Hilf mir, es selbst zu tun!“, lautet der Ansatz der italienischen Ärztin und Pädagogin Maria Montessori, welche die gleichnamige Pädagogik im frühen 20. Jahrhundert entwickelte. Maria Montessori wollte den Prozess des Lernens der Kinder maximal fördern. Basis für ihr Konzept ist die Annahme, dass Kinder von Natur aus wissbegierig sind, den Drang haben zu lernen und zu entdecken. Kinder lernen am besten, wenn sie motiviert werden. Daher sollten die Lehrenden, Montessoris Ansicht nach, die Kinder zuerst anleiten und sie dann ihre eigenen Erfahrungen machen lassen, indem sie sich zurückziehen und wenn nötig beratend zur Seite stehen. Kinder lernen in erster Linie didaktisch, bedeutet, sie lernen am besten aus eigener Erfahrung.

Auch wenn Maria Montessori 1952 gestorben ist, gibt es noch heute Kindertageseinrichtungen und Schulen, die nach ihrem Prinzip arbeiten. Im Rahmen der Montessoripädagogik wird eine Umgebung geschaffen, in der sich das Kind selbst ausprobieren, lernen, seine eigenen Grenzen entdecken, seine Stärken erkennen und Schwächen akzeptieren kann. Kinder dürfen Fehler machen, Misserfolge erleben und an ihnen wachsen.

Auch Eltern müssen neu lernen

Natürlich geht es nicht darum im Alltag von Gefahr zu Gefahr zu schlängeln, damit Kinder sich daran ausprobieren und ihre eigenen Erfahrungen sammeln können. Kleine wie auch größere Herausforderungen und Situationen kommen von ganz allein. Solange das Risiko kalkulierbar ist, müssen auch wir Eltern lernen unseren Kindern zu vertrauen und sie machen zu lassen. Denn wenn sich unsere Kinder nicht in unserem Beisein ausprobieren und ihre eigenen Grenzen begreifen dürfen, tun sie es wohlmöglich allein und von uns Eltern unbemerkt, wodurch die Gefahr von Unfällen und Verletzungen deutlich größer ist.

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