Reife versus Energie: die Vor- und Nachteile einer späten Schwangerschaft

„In meinem alten Lehrbuch,“, sagte der Frauenarzt zu mir, „sind Frauen ab 28 Jahre spätgebärend.“ Ich war damals 32 Jahre alt und frisch mit dem ersten Kind schwanger. Der Gynäkologe lächelte bei seiner Aussage und zwinkerte mir zu. „Die Zeiten ändern sich.“ Tatsächlich steht rein biologisch fest, dass die beste Zeit für eine Schwangerschaft zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr liegt, von da an nimmt die Fruchtbarkeit der Frau ganz allmählich ab, ab 30 immer schneller.

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Doch das ist überhaupt kein Grund zur Panik, wie unsere modernen Statistiken deutlich zeigen: Lag das Durchschnittsalter der Erstgebärenden in Deutschland noch vor 40 Jahren bei 25,2 Jahren, ist es inzwischen auf 30,2 Jahre angestiegen. Gleichzeitig sank die Müttersterblichkeit rapide ab. Und: Für die meisten Frauen passt eine späte Schwangerschaft einfach besser ins Konzept. So bringen sie Karriere und Familie besser unter einen Hut, mit dem guten Gefühl, die Freiheit der Jugend ausgiebig genutzt zu haben. 

Die Zeiten haben sich tatsächlich geändert!

Die Zeiten ändern sich, nicht nur, was das tatsächliche Alter der Erstgebärenden betrifft. Auch die gesundheitlichen Grundlagen sind anders als damals, ganz zu schweigen von der engmaschigen medizinischen Betreuung. Die Ernährung der Menschen in den Industrienationen hat sich deutlich gebessert, die Lebenserwartung ist in den letzten 50 Jahren drastisch gestiegen, die hygienischen Bedingungen haben einen großen Sprung nach vorn gemacht. Und wenn es mit der natürlichen Befruchtung in späteren Jahren nicht mehr klappt, helfen Kinderwunschzentren mit ihren Angeboten. So können heute sogar noch fitte 50- oder 55-Jährige schwanger werden und ein gesundes Baby zur Welt bringen.

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Nicht alles, was machbar ist, ist auch gut – oder?

Allerdings ist nicht alles, was biologisch und medizinisch machbar ist, auch wirklich gut. Gibt es außerhalb der körperlichen Komponente ein „zu alt fürs Kinderkriegen“? Geht irgendwann die Energie aus, einen kleinen Menschen großzuziehen? Oder wachsen mit zunehmendem Alter vielmehr Reife und Geduld, sodass die Erziehung deutlich besser gelingt?

Eine Studie aus dem Jahr 2016 des Max-Plancks-Instituts für demografische Forschung in Rostock zeigte überraschende Ergebnisse: Kinder von älteren Müttern werden im Schnitt größer, erzielen bessere Leistungen in der Schule und gehen sogar öfter studieren. Dies gilt sogar für Schwangerschaften mit über 40 Jahren! Sind die Mütter bei der Geburt ihres Kindes gerade erst Anfang 20, fallen die Schulzeiten signifikant kürzer aus.

Die Wissenschaftler ziehen den Schluss, dass die „technische und soziale Entwicklung die Risiken einer späten Schwangerschaft mehr als ausgleichen kann“. Dennoch: Wir sind alle Individuen mit eigener Lebensgeschichte und individuellem Charakter, es gibt keine allgemeine Mutter-Kind-Norm. Und die Daten sind wahrscheinlich nicht auf alle Staaten der Erde übertragbar, es kommt immer auf die äußeren Umstände an.

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Die Vorteile einer späten Schwangerschaft

Wenden wir uns den konkreten Vorteilen einer späten Schwangerschaft, etwa ab 35 Jahren, zu. Sogenannte „Risikoschwangere“ (also Frauen ab dieser Altersgruppe) werden automatisch engmaschiger medizinisch betreut. Die pränatale Diagnostik ortet zeitnah alle eventuellen Risiken für Mutter und Kind – und eröffnet entsprechende Behandlungsoptionen.

Frauen mit mehr Lebenserfahrung starten in ihre Schwangerschaft meist mit dem Gefühl, sich ausgelebt zu haben. Sie glauben eher nicht, dass sie durch ihre Mutterschaft noch etwas verpassen, vielmehr erscheint ihnen das Mutterwerden als ein Zugewinn zum bereits Erreichten. Das Umfeld richtet sich wahrscheinlich auch nicht mehr so sehr auf Party und Nachtleben aus. Die frischgebackene Mutter steht nicht mehr unter dem Druck, mit ihren feiernden und reisenden Freundinnen gleichzuziehen.

Babys von älteren Müttern sind zudem häufiger Wunschkinder als die von jüngeren Frauen. Der Körper produziert nicht mehr in jedem Zyklus ein befruchtbares Ei, deshalb ist für die Schwangerschaft meistens gezieltes Vorgehen gefragt. Frauen ab 35 haben außerdem ihr Berufsleben meistens im Griff und sind die Karriereleiter ein Stück weit hochgestiegen, bis zu einem sicheren Platz. Auch an dieser Stelle ist der Druck nicht mehr derselbe wie während der Ausbildungszeit und den ersten Jahren im Job.

Die Nachteile einer späten Schwangerschaft

Die späte Schwangerschaft kann allerdings auch Nachteile haben. Die durchwachten Nächte mit dem Baby sind oftmals anstrengender, weil die Energie der Jugend fehlt.  Die eigenen Eltern, also die Großeltern des neuen Erdenbürgers, sind ebenfalls schon einige Jahre älter und vielleicht nicht mehr in der Lage, tatkräftig mitzuhelfen.

Trotz allen medizinischen Fortschritts kommen Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt spätestens ab 40 Jahren deutlich häufiger vor. Die Frauen stecken die Strapazen auch eher schlechter weg als mit 20. Das Risiko für eine Frühgeburt ist erhöht, ebenso die Gefahr einer Chromosomenstörung beim Baby.

Und: Wer früh Mutter wird, hat es auch früh „hinter sich“. Die spätere Karriere verläuft ungestört, die Kinder werden früh groß und die Mutter entwickelt vielleicht sogar eine bessere Beziehung zu ihnen – aufgrund des geringen Altersabstandes. Aber, wie gesagt, wir alle sind individuell und jedes Kind, das zu uns findet, bleibt Herausforderung und Gewinn zugleich. Egal, wie alt wir Mütter sind.

Quellen:

„Als ob Frauen mit 35 plötzlich die Eierstöcke abfallen würden“, spektrum.de, (Stand 25.01.2023)

„Späte Schwangerschaft: Wann ist man zu alt fürs Kinderkriegen?“, swr3.de (Stand 30.06.2023)

„Müttersterblichkeit in Deutschland (1892-2020)“, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, (abgerufen am 10.04.2024)

„Entwicklung der Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland nach Geschlecht in den Jahren von 1950 bis 2070“, statista.com, (Veröffentlichungsdatum: März 2023)

„Kinder profitieren von späten Schwangerschaften“, sueddeutsche.de, (Stand 11.04.2016)

„Spät Mutter werden: Vor- oder Nachteil?“, apotheken-umschau.de, (Stand 13.03.2022)

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